Zu alt, zu teuer – erfahrene Fachkräfte kaum nachgefragt
Unser letzter Artikel zum Thema Fachkräftemangel hat die Gemüter stark erhitzt. Zahlreiche Leser berichteten uns von ihren Erfahrungen bei der Jobsuche – und diese unterscheiden sich sehr deutlich von denen der Unternehmen auf Mitarbeitersuche.
“Ich denke, dass ich eigentlich zu den Fachkräften gehöre, die angeblich gesucht werden”, schrieb uns beispielsweise der Leser H. Ich bin 36, habe ein technisches Universitätsstudium absolviert und kann neun Jahre Berufserfahrung vorweisen. Letztes Jahr wollte ich mich mal auf dem Arbeitsmarkt neu orientieren und habe ein paar Bewerbungen geschrieben. Einige Vorstellungsgespräche sind daraus entstanden, die aber so ziemlich alle gleich verliefen.” Er sei zwar in die nähere Auswahl gekommen, schreibt H. – beim Gehalt müsse er aber erst einmal Abstriche machen, wurde im gesagt.
Tatsächlich sind die Themen Geld und Alter offenbar die beiden entscheidenden Faktoren, an denen so manches – fachlich vielversprechende – Vorstellungsgespräch scheitert. R.K. schreibt dazu: “Ich bin selber fast 60 Jahre alt von der Ausbildung Elektroningenieur und suche schon lange […] eine Aufgabe, wo ich wieder voll einsteigen kann.” Er sei seit mehr als 25 Jahren im IT-Geschäft tätig und habe sich ständig weiterentwickelt. “Und die Kommentare der Unternehmen: wir sind ein junges Team – Sie passen nicht rein!”
Tatsächlich ist das Know-how älterer Arbeitnehmer in Deutschland kaum gefragt, wie eine Umfrage der Online-Jobbörse Stepstone belegt. Dabei gaben 70 Prozent der Befragten an, dass ältere Mitarbeiter nach dem Ausscheiden aus ihrem Unternehmen dort keine Rolle mehr spielen. Nur rund jedes fünfte Unternehmen bindet pensionierte, ehemalige Mitarbeiter in aktuelle Unternehmensentscheidungen mit ein.
Deutschland liegt im Europaweiten Vergleich damit zwar im Trend – auf die Dauer könne sich das Land eine solche Ignoranz allerdings nicht leisten, sagt Stepstone-Vorstand Frank Hensgens. “Immer mehr ältere Führungskräfte stehen immer weniger jüngeren gegenüber. Aus diesem Grund stehen europäische Unternehmen zukünftig vor der zentralen Herausforderung, den qualifizierten Erfahrungsschatz bewährter Senioren effektiver einzubinden.”